Faszination Gleitschirmfliegen
Wenn ich auf dem Weg zum Fliegen, zum Startplatz bin und meinen Rucksack schultere, ist das für mich immer mit Vorfreude, Neugier und Spannung verbunden.
Dann komme ich am Startplatz an und wenn die Bedingungen für mich passen, packe ich den Schirm aus. Es ist wie ein kleines Ritual, wenn ich den Schirm auslege, mir die Leinen zurechtlege, das Gurtzeug anziehe (das Gurtzeug schließe ich immer in der gleichen Reihenfolge – Routine gibt Sicherheit). Dann hänge ich die Tragegurte des Gleitschirms in die Karabiner vom Gurtzeug ein und bin damit mit dem Gleitschirm verbunden.
Jetzt kommt der erste spannende Teil: der Start. Je nach Bedingungen gibt es verschiedene Startmethoden und es braucht eine ziemlich lange Zeit und viel Übung bis der Start intuitiv verinnerlicht ist. Ich weiß noch genau wie ich mich gefreut habe als ich gemerkt habe, dass ich diesen Punkt erreicht habe: egal was der Gleitschirm bei viel oder wenig oder Seitenwind macht: ich habe es im Griff. Es sehen trotzdem nicht immer alle Starts toll aus. Manchmal hebelt es einen aus und man eiert irgendwie raus. Macht nichts, beim nächsten Mal wird es wieder besser.
Wenn es jedoch so eine richtig gelungene Aufziehphase ist, mit absoluter Kontrolle in jedem Moment und ich dann da stehe und diesen Moment des Abhebens genau entscheiden und genießen kann, das ist unglaublich. Dieser Moment, wenn der Schirm kontrolliert über mir steht und ich mich leicht nach vorne lehne, einen Schritt mache und dann verlieren die Füße die Bodenhaftung und der Schirm trägt mich mit sich in dieses neue Element Luft – Wahnsinn.
Einmal in der Luft geht es erst einmal darum, da auch möglichst länger zu bleiben. Es gibt keinen Motor, keinen Antrieb. Nur Wind und Thermik, die den Gleitschirm oben halten oder weiter nach oben tragen kann. Dieses Spiel mit dem Element Luft ist faszinierend. Jedes Mal bekannt und doch wieder neu, weil kein Tag wie der andere ist.
Unerwartet an einer Stelle wieder Höhe zu machen, wenn man eigentlich schon kurz vor dem Landen war.
Sonnenuntergangs-Genussflüge, bei denen man in einem lauen Sommerwind einfach nur in der Luft hängt, irgendwie sinn- und ziellos und genau deswegen völlig tiefen-entspannt hin und her fliegt und einfach dieses Gefühl genießt, vom Gleitschirm durch den Himmel getragen zu werden und von diesem Logenplatz aus die Aussicht in sich aufnimmt.
Völlig im Hier und Jetzt sein: was einen am Boden nervt hat da einfach keine Bedeutung
Das sind Flüge, bei denen ich unten ankomme, ein breites Grinsen im Gesicht habe und gefühlt immer noch einen halben Meter über dem Boden schwebe.
Es gibt auch andere Flüge bei Bedingungen, die nicht so entspannt sind und die eine deutliche Herausforderung sind. Einfach weil Wind- und Wetterbedingungen nicht immer so einfach einzuschätzen sind oder sich auch im Laufe eines Fluges ändern können. Und dann kommt die Besonderheit beim Fliegen besonders hervor: einmal in der Luft kann keiner zum Helfen vorbei kommen. Was auch immer passiert, ich muss alleine damit klar kommen. Und sollte nicht in Panik verfallen, dafür ist nach der Landung noch Zeit. Dabei habe ich in den vielen Jahren der Fliegerei gelernt: ich kann mich auf mich selbst verlassen.
Gleitschirmfliegen ist ein sehr wetterabhängiger Sport. Man kann die schönsten Pläne schmieden, wenn das Wetter dafür nicht passt, muss umdisponiert werden. Und das kann schon mal sehr spontan sein. Wie z.B. statt nach Bassano (Italien) zu fahren nach Spanien zu fliegen. Oder statt nach Slowenien zu fahren, nach Madeira zu fliegen. Oder eben so lange weiter zu fahren bis das Wetter zum Fliegen passt.
Was die Fliegerei noch ausmacht, sind die Menschen drumrum. Flieger sind schon ein eigenes Völkchen. Nirgends kann man so entspannt (mal mehr, mal weniger sinnvoll) quatschen wie an einem Start- oder Landeplatz. Nichts Schlimmeres als seine besonderen Flugerlebnisse nicht mit jemand anders teilen zu können, zu erfahren wie es anderen an dieser oder jener Stelle gegangen ist und das eigene Fliegerlatein zum Besten zu geben.
Fliegen ist für mich:
Lebenselixier, Lebensgefühl, Suchtmittel, Ausgleich, Freiheit, Reisen, Menschen, ein knallbunter Strauß an Erlebnissen, die mir keiner mehr nehmen kann.